Bei uns geht´s rund
Festbroschüre zum 75-jährigen Vereinsjubiläum 1995

Erstellt von der Festschriftredaktion
Elmar Gräber, Karl-Heinz Kahe, Kilian Marx

Chronik:
Teil  l:   1919 – 1925
Teil II:   1926 – 1939
Teil III:  1945 – 1960
Teil IV:  1960 – 1995

Teil III, 1945 – 1960

Im Jahre 1946 wurde der Spiel- und Sportbetrieb in Schloßborn sofort wieder aufgenommen. Die damaligen Besatzungsmächte erlaubten aber nur einen Verein. So kam es, daß unter der Bezeichnung Turn- und Sportgemeinschaft Schloßborn alle vereinsähnlichen Interessengruppen zusammengefaßt waren. Das heißt, und das wird den einen oder anderen möglicherweise erstaunen, zu dieser Gemeinschaft zählten neben Fußballern und Turnern auch eine Damen-Handballmannschaft und eine Theatergruppe. Damenhandball wurde von ca. 1946 – 1949 gespielt. Trainiert wurden die Handballerinnen von Antel Kilb. Sie spielten gegen Mannschaften aus Neuenhain, Altenhain, Münster, Niederhofheim, etc. Leider wurde dem sportlichen Treiben gewaltsam ein Ende gemacht. Einigen strengen Sittenwächterinnen war die Sportkleidung der Handballerinnen ein Dorn im Auge. Junge Mädchen in kurzen Sporthosen, die die Knie freiließen und in leichten Sportblusen, das ging seinerzeit einigen halt etwas zu weit. Der damalige Pfarrer Sturm wurde bedrängt, dem verwerflichen Treiben ein Ende zu machen. Es wurde eine Versammlung einberaumt und das sportliche Treiben der jungen Damen schließlich gestoppt. Nachfolgend zwei Fotos der Schloßborner Handballdamen.

Die Schloßborner Handballerinnen
 

Auf diesen Bildern zu sehen sind Maria Reinhardt, Elisabeth Schmitt, Cilli Prokasky, Anneliese Schmitt, Käthi Frankenbach, Gretel Vest, Annemarie Kilb, Agatha Schmitt, Erna Frankenbach. Zur Mannschaft gehörten noch Irene Grossmann, Else Frankenbach, Jula Rehm, Maria Conrady und Irma Conrady, von der auch noch der Spielerpass vorliegt.

Ein Handball-Spielerpass aus 1948
 

Für die Fußballer stellte sich nach dem 2. Weltkrieg vor allem ein Problem. Es waren keine Fußbälle zu bekommen. Aber zum Glück hat ja Schloßborn einen Bürger in seinen Reihen, der immer dann zu großer Form aufläuft, wenn sich Probleme ergeben, vor denen andere resignieren, getreu seinem Wahlspruch: “ Geht nit, gibt’s nit!” Diesen Vorzeigelokalpatrioten ernannte man daher zum Ballwart.

Nun muß man nur noch wissen, daß in den Nachkriegsjahren zeitweise Genesungskompanien in Schloßborn auf die Häuser verteilt waren, die sich mit einer bescheidenen Ausrüstung an sportlichem Gerät zum Zwecke der Leibesertüchtigung begnügen mußten. Bei diesem Sportgerät handelte es sich überwiegend um Medizinbälle und diese wurden in Schloßborn vergessen, als die “Genesenen” wieder von dannen zogen. Unser Ballwart nahm sich nun dieser Medizinbälle an und arbeitete sie zu Fußbällen um.

Sein bespielhafter Einsatz bescherte ihm aber letztlich sogar Ärger. Denn die von ihm gefertigten Bälle erfreuten sich allgemein sehr großer Beliebtheit und wurden ihm unter der Woche aus seinem Sportgerätedepot entwendet. Wenn dann am Wochenende ein Pflichtspiel anstand, konnte er keinen Ball herausgeben. Dadurch ist Berhard Weil schließlich das Amt des Ballwartes wieder losgeworden.

Aber es mangelte nicht nur an Bällen, auch Fußballschuhe waren teuer und schwer zu bekommen. Karl Reinhardt fertigte diese daher aus alten Landserstiefeln. Und dann hatte der Sportplatz nach dem Kriege auch neue Tore nötig. In den verantwortlichen Gremien überlegte man lange, wie man am günstigsten an das dafür nötige Holz herankommen könnte. Aber bevor man eine Lösung gefunden und eine Entscheidung getroffen hatte, standen über Nacht neue Tore auf dem Platz.

Schon in der Nachkriegszeit bewährte sich der Fußball in Schloßborn bereits wieder als völkerverbindendes Element. In die damals noch, heute aber nicht mehr, vorhandene Jugendherberge war acht Wochen nach Kriegsende eine Gruppe von etwa 35 polnischen Frauen und Männern aus dem Warschauer Ghetto zu Gast. Bernhard Weil erinnert sich in diesem Zusammenhang noch gerne an seine erste “internationale Fußballbegegnung”.

Der ließ er, gut vierzig Jahre später, noch eine zweite folgen, nämlich in Südfrankreich, als er mit der Schloßborner Soma in unserer Partnergemeinde Caromb gegen die “Vieux Crampons” (zu deutsch: “alte Stollen”) aus Caromb noch einmal die Fußballschuhe schnürte. Dieses Spiel ist allen Beteiligten noch lebhaft in Erinnerung, nicht, weil es 5:1 verlorenging, sondern weil Bernhard Weil seine – mangels sportlicher Betätigung in luftiger Sportkleidung unter freiem Himmel – kalkweißen Schenkel unbedingt vor den warmen Strahlen der provencalischen Sonne schützen wollte. Zu diesem Zwecke scheute er sich nicht, unter seinen Fußball-Shorts ein schützendes – meist im Winter gebräuchliches – Beinkleid zu tragen.

Die Aktiven aus den Jahren nach dem 2. Weltkrieg – auch zu dieser Zeit waren die wenigsten in irgendeiner Form motorisiert – erinnern sich auch noch an ein Punktspiel in Neuenhain. Es war mitten im Winter und das Thermometer stand weit unter Null, gegen den FC stand es nach dem Spiel 14:0 und bei minus 17 Grad traten die “Gebeutelten” per Fahrrad den Heimweg an. Heute fahren in vielen Vereinen – selbst in den untersten Spielklassen – einige Spieler erst dann zum Spiel, wenn sie Kilometergeld bekommen.

Ein anderesmal hatten die Blauweißen in Hornau anzutreten. Nur der für das Spiel nominierte Torhüter war nicht erschienen. Um nicht ohne Torwart spielen zu müssen, stellte man kurzerhand den unter den Zuschauern weilenden Antel Kilb ins Tor. Da dieser aber nur als Zuschauer in Hornau weilte, hatte er natürlich keine Sportkleidung mit. Er stellte sich daher ohne lange zu überlegen in seinen Sonntagsschuhen und mit seiner Sonntagshose in den Kasten.

1950 fiel das Verbot der Militärregierung, die bis dahin nur einen Verein in Schloßborn geduldet hatte. Die bis dahin unter der Bezeichnung “Turn- und Sportgemeinschaft” Schloßborn zusammengefaßten Vereine, wie FC und TV, gingen nun wieder ihre eigenen Wege. Man hatte große Mühe, genügend Spieler zu finden, da viele junge Männer nicht aus dem Krieg zurückgekehrt waren. Im Jahre 1952 gründete man eine Jugendabteilung und im gleichen Jahr wurde der “alte Sportplatz” renoviert, neu eingeebnet und eingesät. Auch damals wieder wurde überwiegend selbst Hand angelegt.

Dabei wurden die freiwilligen Helfer durch einen unverbesserlichen Jungen ziemlich genervt, dem es allergrößtes Vergnügen bereitete, mit seinem Fahrrad die Kröfteler Straße herunterzusausen und unten dann die Böschung zum Sportplatz hinunter und auf dem frisch eingeebneten und angesäten Platz auszurollen. Einen der Freiwilligen brachte das so in Rage, daß er die Böschung, dort, wo der Radfahrer herunterrollte, einfach abgrub. Als der Radfahrer wieder seinen geliebten Weg herunterrollen wollte, mußte er an dieser Stelle plötzlich unfreiwillig über den Lenker absteigen.

Auch die Wartung des Platzes, der damals als Rasenplatz galt, wurde von den Aktiven wechselweise vorgenommen. Zweimal im Jahr wurde er von 4 – 5 Mann gemäht. Da der Platz an einer Stirnseite in unmittelbarer Nähe von Wohnhäusern lag, blieb es natürlich nicht aus, daß manchmal ein allzu strammer Schuß, der das Tor verfehlt hatte, vor lauter Trotz im Wohnzimmerfenster eines der Anwohner landete. Einmal schlug ein Ball sogar mitten während einer Familienfeier ein. Klar, daß dadurch die Anwohner verärgert waren. Um Abhilfe zu schaffen, wurde aus Holzpfeilern und Maschendraht ein großer Ballfang zwischen dem Tor und den Anwohnern gebaut.

Bei den Punktspielen dieser Zeit war es auch immer besonders wichtig, daß man möglichst die “richtigen” Spielerpässe dabei hatte. Am besten war es, man hatte alle mit, denn dann war es leichter, den Pass herauszufinden, der diesem oder jenem “Spieler” am ähnlichsten sah.

Ebenso wie heute, war es jedesmal unerfreulich, wenn einer der Aktiven während eines Spielers vom Platz gestellt wurde, da ein Platzverweis ja automatisch mit einer Sperre geahndet wird; es sei denn, der Schiedsrichter vergißt in seinem Spielbericht, ein solches Vorkommnis zu erwähnen. Dann gilt, wo kein Kläger, da kein Richter. Und wie aus zuverlässigen Überlieferungsquellen zu erfahren war, gelang es manchmal, den schwarzen Mann in seiner “Umkleidekabine” mit Kaffee und Kuchen, sowie anschließend mit Wasser des Vergessens (Äbbelwoi, Bier, Korn) vergeßlich zu machen, was wenig Aufwand machte, da sich der Schiedsrichter in dieser Zeit immer in einem Hause umkleidete, zu dem damals auch ein Kiosk gehörte. Außerdem gab es seinerzeit zum Glück noch richtige Kneipen in Schloßborn, in denen man sich nach dem Spiel noch gemeinsam einen genehmigte und die manchmal recht erhitzten Gemüter abkühlte.

Mit dem beginnenden wirtschaftlichen Aufschwung besserten sich auch die finanziellen Möglichkeiten des Vereins. Das führte dazu, daß von nun an die Anschaffung von Trikots, Hosen, Stutzen und Bälle vom Verein übernommen werden konnte.

1956 mußte sich der Verein erstmalig mit der enttäuschenden Erkenntnis vertraut machen, daß die Treue der Aktiven zum Verein leicht unter den Tisch geredet werden kann. Ein fußballbegeisteter Metzger aus Oberreifenberg köderte einen Schloßborner Spieler mit dem seinerzeit recht begehrten Naturalangebot “Worscht un Flaasch” für zwei Jahre nach Oberreifenberg.

Ab 1955 nahmen regelmäßig vier Mannschaften des Vereins an Punktspielen teil. Besonders die A-Jugend spielte sehr erfolgreich. 1960 wurde sie Kreismeister und im Spiel um die Bezirksmeisterschaft verlor sie nur knapp. Wie motiviert die Jungen damals bei der Sache waren, verdeutlicht folgende kleine Geschichte: Nachdem Peter Hess als Jüngster der Truppe lange auf seinen ersten Einsatz gewartet, dann endlich ein ordentliches Debüt gegeben und sogar ein Tor erzielt hatte, war er sehr enttäuscht, als er beim folgenden Spiel wieder pausieren mußte. Voller Enttäuschung hackte er seine Fußballschuhe in vier Teile und nagelte sie am FC-Schaukasten an der Schule fest.